Dimensionen von Geschlecht

Geschlecht kann in fünf Dimensionen unterteilt werden: Körper, Identität, Ausdruck, Anziehung und Rolle. Dabei sollten wir aber Geschlecht und sexuelle Orientierung gut voneinander abgrenzen. Auch ist Geschlecht «biopsychosozial», d.h. es hat biologische, psychologische und soziale Aspekte.

Die fünf Dimensionen

Hier unterscheiden wir fünf Dimensionen von Geschlecht: Körper, Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck, Anziehung, Geschlechterrolle. Natürlich könnte die Anzahl auch anders sein (z.B. 3 oder 4 Dimensionen). Aber diese fünf haben sich als sehr hilfreich herausgestellt, um bestimmte Dinge abgrenzen zu können.


Körper

Körperliche Merkmale: Unsere Gesellschaft macht Geschlecht an verschiedenen körperlichen Aspekten fest: äussere Geschlechtsorgane, innere Geschlechtsorgane, Keimdrüsen, Hormone, Chromosomen und weitere sekundäre Geschlechtsmerkmale.


Identität

Geschlechtsidentität: Das ist das Wissen, welches ein Mensch über sich selber hat, einem bestimmten Geschlecht anzugehören bzw. nicht anzugehören. Eine zentrale Frage in diesem Zusammenhang ist, ob die Person sich mit dem bei der Geburt zugeschriebenen Geschlecht identifizieren kann oder nicht.


Ausdruck

Geschlechtsausdruck: Beim Geschlechtsausdruck geht es um das Äussere einer Person in Bezug auf Geschlecht. Relevante Aspekte sind: Kleider, Frisur, Styling, Stimme, Art der Kommunikation, Gesichtsbehaarung, Körperformen, Körpersprache, etc. Diese Aspekte sind in unserer Gesellschaft stark mit Geschlecht assoziiert (gegendert).


Anziehung

Sexuelle / romantische Orientierung: Eigentlich hat Anziehung bzw. sexuelle und romantische Orientierung nichts mit Geschlecht im engeren Sinne zu tun. Da es aber in unserer Gesellschaft einen grossen Unterschied macht, was die Personen in einer intimen Beziehung für ein Geschlecht haben (unsere Gesellschaft ist sehr «heteronormativ»), wird die sexuelle Orientierung hier doch sehr relevant.


Rolle

Geschlechterrolle: In unserer westlichen Gesellschaft haben sich basierend auf u.a. Geschlechterstereotypen über die Zeit bestimmte Geschlechterrollen gebildet. Das heisst, es bestehen Erwartungen (ausgesprochen oder nicht), wie sich «Angehörige eines Geschlechts» zu verhalten haben. Besonders spürbar sind Geschlechterrollen in Beruf, Familie und Beziehungen.


Geschlecht ist biopsychosozial

Geschlecht ist nicht so simpel, wie uns oft weisgemacht wird. Geschlecht ist «biopsychosozial», d.h. Geschlecht hat biologische, psychologische und soziale Aspekte.

Diese drei Aspekte liegen auch den fünf Dimensionen des Geschlechter-Radars zugrunde. In der Grafik oben ist dargestellt, welcher der drei Aspekte – biologisch, psychologisch und sozial – bei den fünf Dimensionen je einen Schwerpunkt bildet. Basierend auf Wechselwirkungen haben aber immer alle drei Aspekte gewisse Einflüsse. Bei den sozialen Dimensionen gibt es noch gewisse «Richtungen» in denen diese tendenziell wirken.

Geschlecht und sexuelle Orientierung auseinanderhalten

Da unsere Gesellschaft sexuelle Orientierung und Geschlecht in einem starken Zusammenhang sieht, ist «Anziehung» (sexuelle und romantische Orientierung) auch Teil des Radars. Aber in einem engeren Sinne sind diese beiden Aspekte klar zu unterscheiden (siehe Abbildung unten).

Auch in der LGBTQIA+ Community sind die beiden Aspekte – Geschlecht und sexuelle bzw. romantische Orientierung – enthalten. Die Buchstaben der Abkürzung stehen für verschiedene (englische) Begriffe: Sexuelle Orientierungen: L = lesbisch, G = schwul (gay), B = bisexuell, A = asexuell; Geschlecht: T = transgeschlechtlich, I = intergeschlechtlich; Übergeordnet: Q = queer oder auf der Suche (questioning) , + = weitere.

Feminismus und LGBTQIA+

Auch wenn der Bedarf für das Geschlechter-Radar erstmal aus der LGBTQIA+ Community gekommen ist (siehe auch normativ & expansiv), dürfen wir nicht über Geschlecht reden ohne auch den Feminismus zu erwähnen.

Die Dimensionen Körper, Identität, Ausdruck und Anziehung umfassen in ihren expansiven Ausprägungen die verschiedenen Aspekte von LGBTQIA+ und der klassische Feminismus bezieht sich vor allem auf die Geschlechterrollen.

So können wir die beiden Konzepte abgrenzen oder auch zusammen denken: Feminismus + LGBTQIA+ = Queerfeminismus

Die oben beschriebenen fünf Dimensionen gibt es je in einer normativen und einer expansiven Ausprägung >


Text: Evianne Hübscher | Erste Veröffentlichung: 9.7.2022 | Letztes Update: 3.8.2023